Dienstag, 14. Oktober 2014

Das Drama im Drama - unsensibler Umgang mit tragischen Vergangenheiten

Jeder kennt sie, kaum einer mag sie: die tragischen Vergangenheiten der Romancharaktere. Wie viele Protagonisten mussten bereits durch die Hölle gehen, noch bevor ihre Geschichte überhaupt richtig anfängt? Ein berühmtes Beispiel ist Harry Potter, der im Kleinkindalter Zeuge des Mordes an seinen Eltern und von Tante und Onkel zehn Jahre lang in den Schrank unter der Treppe gesperrt wurde. Der, meiner Meinung nach, unangefochtene König der tragischen Vergangenheiten ist allerdings Eiichiro Oda in seinem Manga One Piece: Monkey D. Ruffy wuchs alleine auf, da sich seine Eltern nicht kümmern konnten oder wollten und sah seinen "Bruder" sterben. Namis Heimatinsel wurde, als sie 10 Jahre alt war, von Fischmenschen versklavt, ihre Mutter vor ihren Augen erschossen und sie selbst acht Jahre lang gefangen gehalten, während sie versuchte, 100 Millionen Berry zusammenzubekommen um ihre Insel freizukaufen. Nico Robin wurde mit zwei Jahren von ihrer Mutter verlassen und nachdem sie als achtjährige als einzige die Zerstörung ihrer Insel überlebte mit hohem Kopfgeld gesucht.

Wenn man darauf achtet, dann findet man immer Charaktere mit tragischen Vergangenheiten, weshalb sich viele Jungautoren einig sind: "Mein Charakter soll auch eine tragische Vergangenheit haben!"

Soweit ist das ja nicht schlecht, denn wie gerade festgestellt tun das auch Autoren, die mit ihren Werken Geld verdienen. Allerdings stellt sich hier die Frage: "Kann ich sowas überhaupt vernünftig schreiben?" und wenn ich mir die meisten Werke von Hobbyschreibern ansehe, dann kann ich darauf nur antworten: "Nein, du kannst es nicht."
Denn die meisten, deren Geschichten ich bisher gelesen habe, wollten eine tragische Vergangenheit um der tragischen Vergangenheit willen. Da wurden Charaktere im Kleinkindalter verlassen, gefoltert, hungern gelassen, missbraucht oder schwer misshandelt - meistens mindestens zwei dieser Punkte, wenn nicht sogar alle zusammen. Da sind Dinge passiert, da hätte jedes Jugendamt das Kind ohne weitere Kontrollen auf Nimmerwiedersehen aus der Familie genommen. Und wenn man nun denkt, der Charakter wäre danach ein psychisches Wrack oder zumindest situationsgemäß angeschlagen - Pustekuchen.

Wie oft durfte ich vom mehrfach missbrauchten Kind lesen, das dann mit 16/17 Jahren direkt mit dem nächsten gutaussehenden Typen im Gebüsch verschwand? Wie oft habe ich schon von dem Kind gelesen, das vom alkoholabhängigen Elternteil misshandelt wurde und selber ständig soff? Und ich bin ehrlich: Wenn ich sowas lese, dann verspüre ich den Drang mich zu übergeben. Nicht nur, dass die Vergangenheit von Charakteren übertrieben dargestellt wird, nein, sie hat auch absolut keine Auswirkungen! Wurde die mehrtägige Geiselnahme, in der der Charakter über fast eine Woche um sein Leben gebangt hat, einfach so mal eben vergessen? Ist es normal, mit demjenigen, der einen als Kind missbraucht hat, am Kaffeetisch zu sitzen und sich über den neuen Freund zu unterhalten?

Wobei mir die liebsten Vergangenheiten noch immer die sind, die in keinerlei Zusammenhang mit dem Plot stehen. Da fängt zum Beispiel eine Frau mittleren Alters als Sekretärin in einem Büro an und die Geschichte handelt darüber, wie sie den Alltag mit ihrem Teenagerkind managt und man bekommt zwischendrin nebenbei erzählt, dass sie mit 18 Jahren mal vergewaltigt wurde, nur damit irgendwo noch die tragische Vergangenheit zu finden ist. Das wurde dann einmal gesagt und kommt nie wieder auch nur ansatzweise zur Sprache.

Ist es eigentlich so schwer, den Charakteren eine normale Vergangenheit zu geben? Kann man nicht mal einen Charakter erfinden, dessen größtes Problem in seiner Kindheit und Jugend war, wie er Mama die fünf in Mathe schonend beibringt? Denn wenn man keine Ahnung hat, wie man mit solchen Erlebnissen umgeht, dann soll man es bitte lassen. Ansonsten gilt die Regel:

Übertreibt es nicht!
 Ja, es gibt Waisenkinder.
Ja, es gibt Kinder, die missbraucht wurden.
Ja, es gibt Kinder aus sehr autoritärem Elternhaus.
Ja, es gibt Kinder, die schlimme Dinge gesehen haben, Kriegskinder zum Beispiel.
Aber die Menschen, die das Unglück wirklich dermaßen gepachtet haben, gibt es nur ganz ausgesprochen selten.

Jedes Drama hat seine Auswirkungen!
Nami hasst Piraten mehr als alles andere und hortet ihr Geld.
Robin vertraut niemandem und sieht ihr eigenes Leben lange Zeit als minderwertig.
Es würde mich nicht wundern, wäre Harry Klaustrophobiker.
Wenn einem Menschen etwas Schlimmes passiert - das prägt ihn! Die Sicht auf gewisse Dinge wird nie mehr dieselbe sein. Kaum ein Mensch erlebt Schreckliches und steckt das mal eben so weg - und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass euer Charakter zu genau diesen Menschen gehört?

Was nichts mit der Geschichte zu tun hat, interessiert niemanden!
Womit die allermeisten tragischen Vergangenheiten sinnlos wären. Es interessiert nunmal keine Sau, was der Charakter schlimmes erlebt hat, wenn es in der Geschichte keine Rolle spielt. Sowas sollte nur gebraucht werden, wenn diese Erlebnisse wirklich Auswirkungen hatten - nicht weil ein Protagonist eben eine tragische Vergangenheit braucht.

Ansonsten ist ein sensibler Umgang nicht leicht. Es kann genial sein, wenn der Autor weiß, was er tut, aber wenn nicht, dann kann man es vergessen. Unsensibler Umgang mit heiklen Themen ist wie ein Schlag ins Gesicht für Betroffene. Das sollte man sich vor seinem nächsten Projekt vor Augen führen.
Oder tatsächlich einfach mal die junge Dame aus behütetem Elternhaus Protagonistin sein lassen.

Mittwoch, 8. Oktober 2014

Wahnsinn der gehobenen Klasse

Viele sind einer Meinung: Der NaNoWriMo ist Wahnsinn. Wie oft konnte ich mir schon anhören:
1. "50,000 Wörter in einem Monat? Hast du sie noch alle?"
2. "Du bist doch vollkommen  bescheuert."
3. "Hast du nichts Besseres zu tun?"
4. "Hast du keine Hobbies?" Random Info: Mir glaubt hier an dieser Stelle irgendwie keine Sau, dass ich sehr wohl Hobbies habe - schreiben zum Beispiel.
5. "Du hast doch noch einen Haushalt zu führen/zu putzen/Tiere zu versorgen/soziale Kontakte zu pflegen!" Was ich bei 1700 Wörtern am Tag, die nicht einmal einer vollen Stunde tippen bei normaler Geschwindigkeit entsprechen, nicht schaffe. Dass ich schnell tippe ist nämlich nur ein Mythos. In Wahrheit schreibe ich nur ein Wort die Minute, weil ich mir nach zwölf Jahren immer noch nicht merken kann, wo die Buchstaben liegen und immer noch suchen muss (oder liegt es an meiner dressierten Schnecke, die ich über meine Tastatur kriechen lasse?). Ja, auch für Wörter wie "es" oder "am" brauche ich eine ganze Minute! Minimum!

Also streng genommen sind die meisten, denen ich vom National Novel Writing Month erzähle, vermutlich der Meinung, dass ich die 50k Wörter nicht an dreißig, sondern jeden Tag aufs Neue schreibe (was allerdings durchaus mal eine Überlegung wert wäre...)
Gut, dass mich das nicht unbedingt freut, ständig für bescheuert erklärt zu werden, habe ich beschlossen, zurückzuschlagen. Wenn ihr der Meinung seid, ich sei bescheuert, dann werde ich euch mal zeigen, inwiefern das tatsächlich zutrifft. Denn die Feder hat gerade eben etwas beschlossen:
Im Forum des NaNo treffen sich gerade die "Wahnsinnigen der leichten Klasse", die "Wahnsinnigen der fortgeschrittenen Klasse", die "Wahnsinnigen der gehobenen Klasse" sowie die "Komplett durchgeknallt Wahnsinnigen".
Nein, den komplett durchgeknallten hab ich mich nicht angeschlossen, aber der Wahnsinn der gehobenen Klasse hat es mir schon angetan, womit ich mich zu den bisher 5 Wahnsinnigsten dieses gesamten NaNos zählen darf. Denn ich habe beschlossen, zu zeigen, dass ich (da ich ja eh keine Hobbies und nichts Besseres zu tun hab, von sozialen Kontakten, die ich als eigenbrötlerische Einzelgängerin, die dafür bekannt ist, Menschen, die etwas mit ihr zu tun haben wollen mit einer Bratpfanne zu verjagen und so weiter und so fort... Ich glaube, das Thema hatte ich schon) tatsächlich "dumm", "blöd", "ignorant", "bescheuert" (alles Zitate) genug bin, mit ordentlich Pfeffer in den diesjährigen NaNo zu starten, wobei es mir zugute kommt, dass der erste und zweite November dieses Jahr auf ein Wochenende fallen. Denn an jedem dieser Tage werde ich mindestens 10k schreiben. Das bedeutet zehntausend Wörter am Tag.
In einem halbstündigen Wordwar schreibe ich durchschnittlich 1000 Wörter, was bedeutet, dass 10k in dieser Geschwindigkeit fünf Stunden konzentriertes Schreiben am Tag notwendig sind. Mein bisheriger Rekord liegt bei etwa 6k am Tag - etwas mehr als die Hälfte.

Ist das bescheuert? Ich denke nicht.
Ist das Wahnsinn? Irgendwie schon.
Ist das machbar? Auf jeden Fall!
Werde ich es schaffen? Da könnt ihr euch aber drauf verlassen!

Mittwoch, 1. Oktober 2014

An meine Muse

Heute ist es soweit: Seit einem Monat laufen die Vorbereitungen. Viele Geschichten wurden geplant, Charaktere wurden erstellt und Landkarten gezeichnet - immerhin sollen sich die lieben Kinder nicht verlaufen, nur weil ich keinen Plan habe, wie ihre Umgebung aussieht. Der 1. Oktober wurde herbeigesehnt, fast so sehr wie der National Novel Writing Month nächsten Monat.
Und nichts geht.
Ich dachte nicht, dass ich so früh schon meinen ersten Bericht über den Schreibmarathon abgeben würde und ich dachte auch nicht, dass er so negativ ausfallen würde. Ich hatte gehofft, durch das Tageziel von 1000 Wörtern würde ich wirklich etwas schaffen, doch die kreative Flaute, die ich seit bereits fast zwei Monaten habe, hält mich weiterhin fest gefangen und egal wie lange ich meine Dokumente anstarre - nichts.

Fakt ist: Wenn sich dieses kreative Tief des Todes nicht innerhalb der nächsten Tage mit einem Knall löst, werde ich einiges aufzuholen haben. Eigentlich war mein Plan heute gut 3000-5000 Wörter zu schreiben um direkt schonmal einen Puffer zu haben, aber nichts! Egal wie oft ich meine Notizen durchlese, egal wie viele Lieder ich höre, die zu meinem inoffiziellen Soundtrack gehören - es geht nichts. Der Jahresschreibmarathon läuft seit über 12 Stunden und ich habe noch nicht einen Absatz getippt (wobei ich gerade überlege, ob ich nicht mein Puzzle einfach aus meinem Blickfeld räumen sollte. Vielleicht hilft das ja schon...)

Liebe Muse, lass dir eins gesagt sein: Ich bin ein Mensch mit Verpflichtungen und einem festen Tagesablauf, der spätestens morgens um acht Uhr beginnt. Solltest du noch ein einziges Mal auf die Idee kommen, mich diese Nacht um zwei zu wecken, weil du so unglaublich motiviert bist, dann haben wir zwei ein Riesenproblem miteinander, denn so geht das nicht weiter. Du verweigerst dich, wenn du arbeiten sollst und wenn du nicht arbeiten sollst, weil ich einfach nicht mitarbeiten kann, läufst du auf Hochtouren? Das geht nicht.
Ich weiß es gab Zeiten, da waren wir zwei glücklich und auf einer Wellenlänge. Es gab Zeiten, da saßen wir zwei bis morgens um sechs zusammen im Wohnzimmer und haben uns amüsiert, aber auch wenn du es vielleicht nicht begreifen willst - diese Zeiten sind vorbei. Ich bin keine fünfzehn Jahre mehr alt. Da hatte ich morgens nichts zu tun und konnte dann auch mal bis Nachmittags schlafen, wenn du mich bis in die Morgenstunden wachgehalten hast. Aber wenn du das noch ein einziges Mal tust, dann ist das einzige, was ich auf mein Diktiergerät spreche ein Fluch, der dir dein Leben ganz und gar unangenehm machen wird.

Meine liebe Muse: Du kannst dich nicht immer querstellen. Es läuft nicht immer alles nach deinem Kopf und langsam bist du alt genug, das zu begreifen. Die Zeit in der man sich einfach so die Nächte um die Ohren hauen kann, ist vorbei und zwar endgültig.
Werd erwachsen!